Systemaufstellungen sind seit über 30 Jahren bekannt und werden mittlerweile weltweit praktiziert. Bert Hellinger (geb. 1925), ursprünglich als Jesuit in Südafrika tätig, dann Psychoanalytiker und Primärtherapeut, führte erstmals unterschiedliche Strömungen zu den sog. "Familienaufstellungen" zusammen. Zu diesen Wurzeln gehören v.a.:
Familienrekonstruktion und Familienskulptur (Satir, 1975)
Moderne Hypnotherapie (Erickson, Rossi & Rossi, 1998)
Systemische Strukturaufstellungen nach Sparrer & Varga von Kibéd entwickelten sich aus Familienaufstellungen heraus und wurden durch weitere Ansätze beeinflusst:
Lösungsfokussierte Therapie (de Shazer, Berg & Miller, 1995)
Heidelberger Schule (Simon 1993, Schmidt, Weber & Stierlin, 1989)
Aufstellungsarbeit ist eine unter vielen Möglichkeiten, mit Familien systemisch zu arbeiten. Die Geschichte der Familientherapie begann in den 40er Jahren und war in ihren Anfängen psychoanalytisch geprägt, während heute systemtheoretische Richtungen im Mittelpunkt des Interesses stehen. Die sog. Kybernetik 1. Ordnung geht davon aus, dass Familien ähnlich wie rückgekoppelte Systeme funktionieren, z.B. wie eine Heizungsanlage, an deren familiären "Thermostaten" TherapeutInnen mit geeigneten Interventionen drehen konnten, um heilsame Veränderungen zu bewirken. In der sog. Kybernetik 2. Ordnung können TherapeutInnen nicht mehr "von außen drehen" , sondern sind selbst Bestandteil eines neuen Systems, das die Familie und die TherapeutInnen umfasst. Interventionen werden hierbei weniger als zielgerichtete Problemlösestrategien, sondern mehr als Angebote und Anregungen verstanden, die ein System "verstören" können, wodurch Selbstorganisationsprozesse des Familiensystems wieder in Gang kommen können. Narrative Ansätze gehen hingegen verstärkt davon aus, dass Menschen unverbesserliche und geschickte Geschichten-erzähler sind und die Angewohnheit haben, zu den Geschichten zu werden, die sie erzählen.
Die Aufstellungsarbeit basiert auf der Wahrnehmung von Phänomenen, z.B. wenn sich eine Person authentisch in einen völlig Fremden hineinfühlt. Diese Phänomene erweitern die Wahrnehmung der Wirklichkeit. Die Grundordnung einer Familie wird auf diese Weise "gefunden" und nicht "erfunden" (= konstruiert). Mit dem Anspruch, durch Wahrnehmung unterschwellige Dynamiken erkennen zu können, entzieht sich diese Methode weitgehend der empirisch-analytischen Kritik. Aufstellungen können nicht in objektiv messbare "harte" Daten und Fakten kleingehackt werden, was manche vermuten lässt, dass es sich hier vielleicht um ein "unwissenschaftliches" Verfahren handeln könnte. Dabei wird oft vergessen, dass es außer der empirisch-analytischen Methode auch noch drei andere wichtige Erkenntnismethoden gibt: die dialektische, hermeneutische und eben die phänomenologische.
In vielen Bereichen der Wissenschaft beginnt sich auch immer mehr eine holistische (ganzheitliche) Sicht des Universums zu erschließen, in der alle Dinge miteinander verbunden sind, z.B. in der physikalischen Feldtheorie von Faraday & Clerk (ein Feld kann Kraft erzeugen), der Relativitätstheorie Einsteins (Zeit ist weder linear noch absolut), dem Bell Theorem (die Wirkung auf ein Elementarteilchen hat sofort und unmittelbar Wirkung auf die anderen, mit denen es verbunden ist) und den morphogenetischen Feldern von Sheldrake (sie erklären z.B., warum ein Hund weiß, dass sich sein Besitzer auf dem Heimweg macht und schon 20 min vor jedem hörbaren Geräusch an der Tür wartet bzw. warum es Lerneffekte bei Tierpopula-tionen auf unterschiedlichen Kontinenten zur selben Zeit gibt). Auch Dawkins Theorie der Meme (soziale "Gene", die für die kulturelle Evolution verantwortlich sind, wie z.B. religiöse Gesetze, Gedanken, Melodien oder Kleidermoden) weist darauf hin, dass es geistige Strukturen gibt, die von Mensch zu Mensch übertragen werden - auch ohne dass sie voneinander wissen.
Reinhard Hertel und MitarbeiterInnen unterzogen die Teilnehmer von Familien-aufstellungen einer EEG-Spektralanalyse, d.h. die Gehirnströme der Klienten und Stellvertreter wurden während einer Aufstellung abgeleitet und miteinander verglichen. Sie stellten u.a. fest, dass anfangs oft nur die linke Hirnhälfte aktiv war, in der sich das Sprachzentrum befindet. Im Verlauf der Aufstellung wurde auch die rechte Hirnhälfte aktiv - ein Zeichen für Emotionsverarbeitung. Besonders interessant war jedoch der Befund, dass in dem Moment, in dem ein Stellvertreter vom Klienten aufgestellt wurde, das EEG des Stellvertreters dem EEG des Klienten glich. Wurde im Verlauf einer Aufstellung der Stellvertreter mit dem Klienten ausgetauscht, zeigten sich ebenfalls spannende Phänomene: Blieb der Stellvertreter auch an seinem Platz sehr in der Rolle des Klienten, blieben beide Hirnhälften aktiv. "Lehnte" er sich jedoch an seinem Platz "zurück", dann ging die Aktivität der linken Hemisphäre zurück, während die der rechten (Anzeiger der emotionalen Ebene) erhalten blieb und weiterhin der des Klienten glich.
Inzwischen gibt es eine Vielzahl von Studien, die sich mit den Effekten von Familien-aufstellungen beschäftigen. Exemplarisch werden hiermit drei vorgestellt, die eine positive Wirkung nachweisen konnten:
1. "Heilt Demut - wo Schicksal wirkt?" Eine Studie zu Effekten des Familien- Stellens nach Bert Hellinger von Gert Höppner (2001)
2. Systemische Familienaufstellungen. Eine Studie zu systemischer Verstrickung und unterbrochener Hinbewegung unter besonderer Berücksichtigung von Angstpatienten von Ursula Franke (1996 )
3. Vertraute Sprache und ihre Entdeckung. Systemische Aufstellungen auf dem Prüfstand (Buch oder Film) von Peter Schlötter (2005)
Kaum ein Ansatz hat die Diskussion innerhalb und außerhalb der systemischen Therapie in den letzten Jahren so angefacht wie die "Familienaufstellungen nach Bert Hellinger", die - mehr als jede andere therapeutische Methode - in den vergangenen Jahren außerordentlich populär und erfolgreich wurde. Zu den Hauptkritikpunkten gehört, dass es sich bei dem Ansatz um eine "Ordnungstheologie" mit einer richtigen und falschen Ordnung handeln würde, die Bert Hellinger kennt und benennt. Daran anschließen würde sich eine Art "Heilsversprechen", dass wenn sich der/die KlientIn nur nach der vorgegebenen Ordnung richte, für alles weitere keine Sorge tragen müsse. Auch wenn manche von der Klarheit seiner Konzepte und der Schlichtheit der Interventionen beeindruckt sind, reizt die Absolutheit, mit der Hellinger sie vertritt, zu Widerspruch - v.a. da sie zu undifferenzierter Nachahmung und vorschnellen Lösungen führen würde. Vielen sind auch seine ausverkauften Mammut-Veranstaltungen ein Dorn im Auge, die ihrer Ansicht nach eher einer Show als einer therapeutischen Behandlung ähnelten. Wiederum andere haben Schwierigkeiten, die Entwicklung von den "Familienaufstellungen" über die "Bewegungen der Seele" die nun von ihm vertretenen "Bewegungen des Geistes" zu verstehen, die fast völlig interventionslos verlaufen und die von Beteiligten und Zuschauern nur noch schwer nachvollziehbar sind. Wer seine Schriften und Person näher kennt, weiß, dass er über eine außergewöhnlich schnelle Wahrnehmung/ Intuition verfügt, die andere ebenso überraschen wie überfordern kann. Auch klingt das "absolut" Geäußerte oft absoluter als es gemeint ist, wenn man frühere mit späteren Stellungnahmen vergleicht. Nichtsdestotrotz scheiden sich an seiner Person jedoch die Geister und jeder muss die Gretchenfrage "Wie hälst du's mit ...?" für sich selbst beantworten.
Was von Kritikern oft nicht genug beachtet wird, ist, dass es sich bei Bert Hellinger und Systemaufstellungen um kein Synonym handelt, ebensowenig wie Freud und heutige Formen der Psychoanalyse gleichzusetzen sind. Es gibt inzwischen weit über 2000 Aufsteller allein in Deutschland und wesentliche Weiterentwicklungen der Methode, die von anderen Therapeuten in die Wege geleitet wurden. Natürlich gibt es auch unter Aufstellern "solche und solche" - wie in jeder anderen therapeutischen Richtung auch. Viele nehmen ihr Fach jedoch sehr ernst, bilden sich engagiert aus und kombinieren diese Methode erfolgreich mit anderen therapeutischen Richtungen.
Die beiden systemischen Verbände in Deutschland (Systemische Gesellschaft - SG & Deutsche Gesellschaft für systemische Therapie und Familientherapie - DGSF) z.B. definieren einen Rahmen, unter dem ihrer Ansicht nach Aufstellungen sinnvoll sind: "Familienaufstellungen können als eine Methode innerhalb der systemischen Therapie eingesetzt werden, wenn folgende Grundprinzipien gewahrt bleiben:
1. Die Neutralität und Allparteilichkeit gegenüber Personen und Ideen.
2. Das therapeutische Postulat, die Wahlmöglichkeit der Klienten/innen zu erhöhen.
3. Das therapeutische Selbstverständnis, dass der/die Klient/in jeweils Fachfrau oder Fachmann für die eigenen Ziele ist und die Therapeuten sich darauf beschränken, gute Bedingungen für neue Lösungsmöglichkeiten zu schaffen.
4. Dass zudem Aussagen von "Stellvertretern" als Hypothesen gewertet werden und den Klienten jederzeit die Möglichkeit belassen wird, sie als momentan nicht nützlich zu verwerfen.
5. Dass Familienaufstellungen in einem längeren Prozess von systemischer Therapie oder Beratung eingebettet sind und nur einen Bestandteil eines beraterischen Prozesses darstellen.
6. Familienaufstellungen dürfen nur von Therapeuten/innen durchgeführt werden, die eine anerkannte Fortbildung absolviert haben und beraterisch-therapeutische Praxiserfahrung mitbringen.
7. Nicht Bert Hellinger als Normen setzender Guru, sondern ein breiter wissenschaftlicher Diskurs von Fachleuten definiert die Methodik der Familienaufstellung und entwickelt sie weiter."